Zurück in den Beruf – zurück ins Leben!

Ein Gespräch mit Gaby Schubert-Sonnbichler, ehemalige Geschäftsführerin der Krebshilfe Wien

Liebe Gaby, was bedeutet eine Krebsdiagnose für den Beruf bzw. die Arbeit von Betroffenen?

Eine Krebsdiagnose hat oft tiefgreifende Auswirkungen auf die berufliche Situation. Betroffene sehen sich häufig mit gesundheitlichen Einschränkungen, Unsicherheiten und der Notwendigkeit von längeren Ausfallzeiten konfrontiert. Dies kann zu Ängsten führen, ob der Arbeitsplatz gesichert bleibt und ob sie ihren Berufsweg weiterhin verfolgen können.

Unmittelbar nach der Diagnose sind die meisten Patient:innen aber auf die gesundheitliche Situation fokussiert. Die Diagnosezeit dauert ja meist länger, weil viele verschiedene Untersuchungen notwendig sind – eine extrem anspannende Zeit, kann man sich vorstellen. Eine Zeit, in der Betroffene v.a. darum bangen, dass die endgültige Diagnose nicht zu schlimm ausfällt und in der man hofft, dass die Behandlung schnell zum Erfolg führt.  In zweiter Linie muss die Diagnose dann einmal psychisch verarbeitet werden. Es kommen Angst, Wut, aber auch das Gefühl der Hilflosigkeit auf. Die Frage, was das für den Beruf und die Arbeit bedeutet, stellt sich für die meisten deswegen knapp nach der Diagnose noch gar nicht. Man ist mit so vielen anderen, viel existenzielleren Dingen beschäftigt, die mit dem Überleben und dem Gesundwerden zu tun haben.

 

Gehen die meisten Krebspatient:innen in den Krankenstand?

Die meisten Krebspatient:innen gehen in den Krankenstand, aber zunehmend wollen Patient:innen auch wieder in den Beruf zurück. Warum wollen sie das? Das ist einerseits eine finanzielle Frage, weil Erwerbstätigkeit bringt mehr Geld einbringt als Kranken- oder Rehageld. Es ist aber auch eine Frage der Teilhabe an der Gesellschaft, der Beruf ist einfach ein wesentlicher Reintegrationsfaktor unserer Gesellschaft. Zudem gibt die berufliche Tätigkeit Sicherheit und Struktur – und kann in einer Zeit, in der sehr viele existenzielle Themen im Raum stehen, sehr sinnstiftend sein. Deswegen wollen viele Patient:innen möglichst schnell in den Beruf zurück – manche sogar zu früh, weil sie sich damit überfordern. Die Vorstellung, dass die meisten möglichst lang im Krankenstand verbleiben wollen, stimmt aus unserer Sicht nicht.

Sehr wichtig ist dabei die Rolle des Arbeitgebers. Ein unterstützendes Arbeitsumfeld kann den Unterschied machen. Arbeitgeber:innen sollten sich bewusst sein, dass Mitarbeiter:innen mit einer Krebsdiagnose möglicherweise flexiblere Arbeitszeiten oder eine Anpassung der Aufgaben benötigen. Ein offenes Gespräch über die Situation kann viel zur Entlastung der Arbeitsumgebung beitragen und in Zeiten des Fachkräftemangels wertvolles Personal binden.

Wollen denn die meisten Unternehmen ihre Mitarbeiter:innen halten, auch wenn sie vorübergehend in Krankenstand und/oder nicht so leistungsfähig sind?

Von Unternehmensseite will man Arbeitnehmer:innen gerne halten, weil es sich ja oft um langjährige, loyale Mitarbeiter:innen handelt. Heutzutage besteht an vielen Stellen ein Mangel an qualifizierten Mitarbeiter:innen. Die geburtenstarke Jahrgänge gehen in Pension, da ist man über jede Mitarbeiter:in froh, die man weiter beschäftigen kann. Das Problem besteht bei einer Erkrankung eher auf der Kommunikationsebene – das aber von beiden Seiten: Wann sagt man als Krebspatient:in, dass man erkrankt ist? Und in welchen Abständen hält man während der oft sehr langwierigen Therapie Kontakt zueinander?

Kannst du Betroffenen einen persönlichen Tipp geben?

Mein Tipp? Sich so schnell wie möglich im Bereich Krebs und Beruf fachliche Beratung zu holen – und sich nicht selbst durch den Wust an Informationen im Internet zu arbeiten. Unsere Kolleg:innen der Arbeitsassistenz Krebs und Beruf gehen auf jede individuell sehr unterschiedliche berufliche Situation ein und beraten auch bei sehr vielen praktischen Fragen, die über das Feld des Berufs hinausgehen. So können sich die Betroffenen besser auf ihre gesundheitliche Situation konzentrieren, weil dies ohnehin so viel Kraft d.h. psychische wie körperliche Ressourcen erfordert. Ich möchte Betroffenen zudem allgemein ans Herz legen, sich nicht zu isolieren. Suchen Sie Unterstützung, sei es durch uns oder andere Organisationen. Informieren Sie sich über Ihre Rechte und sprechen Sie offen über Ihre Bedürfnisse. Sie sind nicht allein, und es gibt Wege, wie Sie sowohl Ihre Gesundheit als auch Ihre berufliche Laufbahn in Einklang bringen können.

Vielen lieben Dank, Gaby Schubert-Sonnbichler, für dieses Gespräch. 

Frau Mag.a Gaby Schubert-Sonnnbichler hat sich seit Nov/2024 in den Ruhestand verabschiedet. Wir danken ihr als Österreichische Krebshilfe Wien für ihre Arbeit und ihre vielen Ideen - und wünschen ihr für die nächsten Jahre viel Glück, Gesundheit, Ruhe und Entspannung.

 

Gaby Schubert-Sonnbichler


Von 1997 bis November 2024 Geschäftsführerin der Österreichischen Krebshilfe Wien. Als Geschäftsführerin baute sie neben einer Reihe anderer Projekte wie „Mama/Papa hat Krebs“, „Jung und Krebs“ oder der „Arbeitsassistenz Krebs und Beruf“ die Initiative „UNTERNEHMEN LEBEN!“ auf. „Mir war es immer ein Herzensanliegen, dort helfend einzugreifen, wo Unterstützung dringend nötig ist. Wenn mir das im Rahmen meiner Tätigkeit als Geschäftsführerin der Krebshilfe Wien gelungen ist, blicke ich gerne auf 27 ebenso erfüllte wie erfüllende Jahre zurück“.