Dem Sturm trotzen: Krebs und Resilienz

Krebs und Resilienz

Ein Gespräch mit Katharina Gruber, Psychoonkologin Krebshilfe Wien
Resilienz ist in aller Munde. Was genau versteht man eigentlich darunter?

In der Psychologie verstehen wir unter Resilienz die emotionale Widerstandsfähigkeit. Sie ermöglicht es, sehr große Herausforderungen des Lebens zu bewältigen und sich an veränderte bzw. schwierige Lebensumstände anzupassen. Die Frage ist: Können wir als Menschen auf extrem belastende Lebensereignisse im Leben reagieren? Und können wir auf persönliche, aber auch sozial vermittelte Ressourcen zurückgreifen und uns schließlich davon erholen und sogar gestärkt daraus hervorgehen? 
Es geht dabei um ein ganzes Paket von Faktoren, die die Resilienz eines Menschen ausmachen – in der Literatur spricht man von „Säulen der Resilienz“: Dazu zählen zuerst einmal die soziale Unterstützung meines Umfelds, meine eigenen Problemlösungsfähigkeiten, die Fähigkeit der emotionalen Regulation sowie meine eigene grundsätzlich positive Einstellung. All dies hilft uns, große Herausforderungen zu meistern und unsere innere Stärke zu mobilisieren, sodass wir immer unser eigenes Gleichgewicht finden können. 

Welchen Stellenwert hat Resilienz bei einer Krebserkrankung? 

Die innere Einstellung ist bei einer lebensbedrohlichen Krankheit wie Krebs ganz wichtig. Denn die Diagnose Krebs trifft Patient:innen meist völlig unerwartet – die Welt steht plötzlich still. Viele Patient:innen reagieren mit Angst, Wut und Resignation oder sie fühlen sich hilflos und unsicher. Diese negativen Emotionen gehören dazu d.h. sind ganz normal. Stellen wir uns vor, wie in den Tagen nach der Diagnose die Welt für Betroffene Kopf steht und alles neu organisiert werden muss, egal ob im privaten oder beruflichen Alltag. Für Krebspatient:innen geht es in jeder Krankheitsphase – von der Diagnose über die Behandlung bis hin zur Nachsorge – letztlich um die Frage: Wie schaffe ich es, mit all diesen Herausforderungen klarzukommen? Wie schaffe ich es, nicht in meinem schwierigen Gefühlszustand zu verharren, sondern wie kann ich pro-aktiv werden und wieder ins Tun kommen?

Auf welche Ressourcen können deine Patient:innen zurückgreifen?

Viele waren wahrscheinlich schon mal in einer sehr schwierigen Situation, vielleicht sogar in einer kritischen Ausnahmesituation. Wertvoll ist dann, sich zu erinnern, wie man damals damit umgegangen ist und was uns geholfen hat. Wir können uns überlegen, wer im Umfeld auch bisher immer sehr stützend war und wo wir damit leichter um Hilfe bitten bzw. diese annehmen können. 
Resiliente Menschen schaffen es, negative Gedanken in solch Ausnahmesituationen auch ausgrenzen und stoppen zu können – und sich nicht durch die Negativspirale runterziehen zu lassen. Sehr hilfreich unmittelbar nach der Diagnose und in der ersten Phase der Erkrankung ist es, sich Informationen zur Krankheit und zur bevorstehenden Therapie (z.B. über Broschüren der Krebshilfe) zu beschaffen. Das psychoonkologische Gespräch soll dabei helfen, all diese Nachdenkprozesse in Gang zu setzen bzw. zu aktivieren. 

Letztlich ist es immer ein Pendeln der Gefühle zwischen einerseits der Akzeptanz der schwierigen Situation und andererseits der Hoffnung. Resiliente Menschen sind jene, die es schaffen, zwischen verschiedenen Gefühlszuständen des Gleichgewichts und Ungleichgewichts zu wechseln. Als Psychoonkolog:innen begleiten wir die Patient:innen und pendeln quasi mit.
Es gibt kein Patentrezept, wie man am besten durch die Krankheit kommt und zu einem resilienten Menschen wird. Aber im Laufe der Jahre, durch die vielen Gespräche mit den unterschiedlichsten Patient:innen und Angehörigen, bin ich überzeugt, dass jeder Mensch die Fähigkeit hat, sich mehr oder weniger an die schwierigsten und herausforderndsten Situationen anzupassen und sie dadurch für sich ein Stück weit erträglicher zu machen. Und ich bin dankbar für jede einzelne dieser Begegnungen, denn auch ich durfte schon unglaublich viel von „meinen Gegenübern“ lernen. 

Mag.a Katharina Gruber

Psychoonkologin

Seit 2014 Teil des psychoonkologischen Teams der Österreichischen Krebshilfe Wien und Leiterin der Gruppe der „Young Patients“ sowie des „Cancerclubs der Generation YZ“ der Österreichischen Krebshilfe. 
Davor Psychoonkologin im onkologischen Reha-Zentrum „Der Sonnberghof“ und Mitarbeiterin im Akut-Team Niederösterreich (Krisenintervention). 

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