Wenn die Allerliebsten an Krebs erkranken
Mein Krebs und ich
Die eigene Mutter und die Lebenspartnerin
„Wo soll ich anfangen?“ beginnt Lukas das Gespräch im Oktober 2023. „Das erste Mal bin ich mit Krebs in Berührung gekommen, da war ich nicht mal 14 Jahre alt. Meine Mutter ist damals an Brustkrebs erkrankt. Seitdem gehört Krebs zu meinem Leben: meine Mutter musste oft ins Krankenhaus und machte viele Therapien. Vor rund 10 Jahren trat Krebs wieder in meine Familie. Diesmal bei meiner Frau, mit der ich damals bereits länger zusammen war. Sie hatte ein Melanom im Gesicht. Wir merkten eine Veränderung und reagierten schnell. Die Diagnose hieß zunächst Hautkrebs.“
Nachdem damals die Ärzte das Melanom seiner Frau entfernen, ist das junge Paar zuerst einmal beruhigt – das medizinische Standardprozedere wird bei Lukas‘ Frau eingeleitet, die Lymphknoten werden kontrolliert. Danach ist das Ganze für beide erstmal recht schnell vergessen.
„Bis es vor 5 Jahren wieder aufkippte.“ Lukas‘ Frau war gerade schwanger mit dem zweiten Kind. Sie befand sich in der 38. Schwangerschaftswoche, als sie plötzlich ihre rechte große Zehe nicht mehr bewegen und den Vorderfuß nicht mehr heben konnte. Im Krankenhaus vermutet man damals, dass das Kind auf das Nervengeflecht drückt. Vorsorglich wird Lukas‘ Frau in ein auf Neurologie spezialisiertes Krankenhaus überwiesen und schnell wird ein MRT eingeleitet. Zuerst wird ein Blutgerinnsel erkannt, in weiterer Folge tatsächlich ein Hirntumor entdeckt. Damit hatte keiner gerechnet. „Das Krankenhaus rief mich an und sagte, dass ich sofort kommen soll: Meine Frau liege auf der Intensivstation. Man würde sie sofort in ein anderes, spezialisiertes Krankenhaus überführen. Ebendort hat man am nächsten Tag unser zweites Kind per Sectio geholt.“
Nach der Geburt: die Tumorentfernung
Lukas‘ Frau bringt ein Mädchen per Sectio zur Welt. Zeit zum Kennenlernen und Bonding mit der eigenen Tochter bleibt der frischgebackenen Mutter nicht: sofort muss sie zu Untersuchungen. Es ist Lukas, der sich von Anfang an um das neugeborene Mädchen kümmert. Bald darauf das Ergebnis der Untersuchungen: das Blutgerinnsel wurde durch einen Tumor verursacht. Es stellt sich heraus, dass dieser von einem Melanom stammt und dass es eine zweite Absiedelung in der Lunge gibt. Eine Woche nach der Geburt wird der Schädel der erst 31 Jahre jungen Frau geöffnet, der Tumor entfernt.
Wenn Lukas heute von der Geburt seiner zweiten Tochter spricht, versteht man, wie traumatisierend diese Erlebnisse für die Familie gewesen sein müssen – so schön der Moment der Geburt auch gewesen sein mag. Woher konnte Lukas in diesen Momenten seine ganze Kraft schöpfen? „Jetzt hieß es zuerst einmal, wieder auf die Beine kommen. Acht Wochen blieb meine Frau im Krankenhaus. Langsam hat sie sich damals wieder hochgerafft. Ich habe mich währenddessen um die zwei kleinen Kinder, v.a. das neue kleine neugeborene Mädchen, gekümmert. Eine intensive Zeit für alle – am meisten natürlich für meine Frau. Im Nachhinein weiß ich aber Vieles nicht mehr, wie die Dinge abgelaufen sind. Es gibt anscheinend dieses Phänomen, dass Menschen Dinge höherer Belastung oft vergessen – so muss es auch bei mir gewesen sein. Meine große Tochter war untertags im Kindergarten. Meine Mutter hat uns damals intensiv unterstützt: ab dem ersten Tag hat sie bei uns gewohnt und mir geholfen. So haben wir das dann wohl geschafft.“