Rodrigo über seinen Weg, mit Krebs umzugehen
Mein Krebs und ich
Rodrigo Lopez, Prostatakrebs
Als Rodrigo Ende 2022 die Diagnose Prostatakrebs erhielt, änderte sich sein Leben von Grund auf. Nach einer radikalen Prostatektomie änderte sich natürlich auch die Beziehung zu seinem Körper und seiner Sexualität, aber auch sein Blick auf sich selbst, die anderen und das ganze Leben.
Bitte erzähle uns von der Zeit der Diagnose, Rodrigo.
Trotz familiärer Vorbelastung mit Krebs habe ich nie damit gerechnet, so früh zu erkranken. Da mein Vater, Onkel und beide Großeltern selbst Krebs hatten, war die Frage nie ob, sondern wann. Mit dem Wissen um die Krebsgeschichte meiner Familie habe ich alles getan, um ihn rechtzeitig zu erkennen. Das heißt: jährliche Untersuchungen seit Mitte 40, übrigens ich bin 60. Die Nachricht hat mich zwar nicht schockiert, aber überrascht, da ich mit einer solchen Diagnose nicht so bald gerechnet hatte. Krebs wurde bei meinen Verwandten erst nach 70 festgestellt.
Was hat Dir, Rodrigo, geholfen, dich aufzubauen und mögliche eigene Ressourcen zu aktivieren?
Ich fürchte, nichts hat mir geholfen. Da ich die Erfahrung hatte, in meiner Familie damit umzugehen, war ich mir sehr bewusst, was auf mich zukam und wusste, dass ich diesen Weg nicht ändern konnte.
Hast du versucht, Wege zu finden, um deine psychische Widerstandskraft zu festigen?
Nein, das habe ich nicht. Eher unbewusst habe ich nach Fluchtwegen gesucht: viel, viel Sport war einer der positiven – ich habe Weight Training gemacht. Beim Alkoholkonsum musste ich umgekehrt aufpassen, auch er ermöglicht natürlich zu flüchten. Ich wollte mich von einer Realität ablenken, die ich nicht ändern konnte. Nur so konnte ich mich auf die strengen medizinischen Anweisungen konzentrieren und diese einhalten.
Hast du gegebenenfalls etwas aus der Krebserkrankung für mitgenommen, was dir heute hilft?
Ja. Es gibt da einen Satz, den mein Vater mir als Kind immer sagte, bevor ich eine Impfung jeglicher Art bekam. Dieser Satz bekam für mich plötzlich mit meiner eigenen Krebserkrankung eine neue, ganz wichtige Bedeutung. Auf die Frage "Wird die Impfung wehtun?" war seine Antwort damals immer Ja und er hat nie gelogen. Er erklärte mir damals vielmehr die Vorteile der Injektion. Das nahm den Schmerz zwar nicht weg. Aber mein Vater gab mir das Verständnis dafür, warum das Ganze. Es hat mir heute sehr geholfen, mir diesen Satz meines Vaters immer wieder in Erinnerung zu rufen. Denn er gibt mir zu verstehen: Krebs zu bekommen, war nicht meine Schuld. Die Operation hat zwar zwei sehr wichtige Teile meines Lebens zerstört, meine Sexualität und mein Selbstbewusstsein. Aber der Vorteil: Ich bin noch am Leben.
Interview im Juni 2024