Mit 30 dankbar für das Leben

Mein Krebs und ich

Stefanie, Eierstockkrebs

Wenn Stefanie über ihren Job spricht, dann sprudelt sie vor Energie und Begeisterung. Nach einem Lehramtsstudium und einer Umorientierung in Richtung Sozialpädagogik hat sie vor gar nicht so langer Zeit die für sie haargenau passende Position im Bildungsbereich gefunden: Der Job macht richtig Spaß, das Team ist nett, was will man mehr? Vom Start weg widmet sich die junge Frau über alle Anforderungen hinaus ihrer neuen Aufgabe. Das passt gut, denn auch ihr Lebenspartner hat gerade einen gefühlten 70 Stunden Job angenommen.

Plötzlich ein Cut im jungen Leben

Stefanie ist ein positiv denkender Mensch: Noch bevor Stefanie über ihre Krankheit spricht, erzählt sie davon, wie sehr sie sich glücklich schätzt, so eine tolle Familie und auch „dicke“ Freunde zu haben.  Sie braucht einfach andere Menschen, um glücklich zu sein –  und liebt es, Verantwortung zu übernehmen. Im Gespräch blickt sie auf ihre Kindheit und ihre langen Pfadfinderjahre zurück und man kann sich nur zu gut vorstellen, wie leicht sie den Funken auf Jüngere überspringen lässt. Schließlich erzählt sie auch von ihrem Lebenspartner und davon, dass sie schon immer Kinder haben wollte.

Als Stefanie allerdings dann über die medizinische Diagnose im April dieses Jahres spricht, dann passt das schlichtweg nicht mehr in den Erzählstrom: Im Frühjahr meinen Ärzte, Zysten am Eierstock entdeckt zu haben – sie werden entfernt und sicherheitshalber untersucht. Am 1. April erhält Stefanie den endgültigen Befund: Diagnose Eierstockkrebs. Das kurz vor ihrem 32 Geburtstag.

Nicht viel Zeit zum Nachdenken

Von einem Moment auf den anderen sieht das Leben der jungen Frau komplett anders aus. Gerade war sie noch mitten im Studium, am Anfang einer Beförderung bzw. Karriere, abgenabelt von den Eltern – und mit ihrem Freund sprach sie offen über den gemeinsamen Kinderwunsch. Und jetzt diese Diagnose? Sie ist überwältigt, empfindet Trauer und Zorn zugleich. Aber trotzdem ist sie unendlich dankbar: Dankbar, dass der Eierstockkrebs durch einen Zufallsbefund relativ früh erkannt wurde und ihre Überlebenschancen damit deutlich höher liegen als bei vielen anderen an Eierstockkrebs erkrankten Frauen, die auf Grund fehlender typischer Frühsymptome meist später die Diagnose erhalten. Viel Zeit zum Nachdenken bleibt Stefanie aber nicht. Schon muss die junge Frau von einer anstrengenden Untersuchung zur anderen. Die Ärzte raten schließlich zu einer Radikal-OP: die Entfernung von Eierstöcken, Eileitern und Gebärmutter.

Alles viel zu ungewiss

Die junge Frau hat weiterhin keine Zeit, die Dinge zu verarbeiten und darüber nachzudenken. Schon kurz nach dem operativen Eingriff, der sie als Frau leider viel zu früh unfruchtbar macht, beginnt der erste Zyklus der Chemotherapie. Der erste von insgesamt sechs Zyklen einer körperlich wie psychisch anstrengenden Therapie, die sich bis 2 Wochen vor unserem Gespräch erstrecken wird. „Am Anfang konnte ich mit kaum jemanden darüber sprechen. Ich wusste nicht, was ich auf Fragen antworten soll, wo ich doch selbst noch so viel offene Fragen hatte. Für mich war das unerträglich, wenn die Ärzte sagten <<Wir machen das step by step>>. Das klang für mich alles viel zu ungewiss.“

„Ich kann den Krebs in mir nicht mein ganzes Leben umwerfen lassen.“

Die sonst so energische, fitte junge Frau geht den Therapieprozess aber wie alles im Leben zielstrebig durch. Sie entscheidet sich bewusst dafür, bei ihrer Arbeit nicht in Krankenstand zu gehen: Nicht nur weil sie sich in der neuen Position, in die sie schnell befördert wurde, erst bewähren will: „Ich brauche Normalität und sinnvolle Ziele. Ich kann den Krebs in mir nicht mein ganzes Leben umwerfen lassen.“

Die Termine der Chemotherapie erfolgen alle drei Wochen. Sie fällt wie viele andere chemotherapierte Patient:innen in ein Loch der Müdigkeit. „Man hat keine Vorstellung, was es heißt, wirklich müde zu sein. Man ist an bestimmten Tagen einfach zu müde, um den Löffel zum Mund zu führen.“ Stefanie spürt zudem, dass sie bei der Arbeit ungleich behandelt, das heißt in ihrem Fall mit Samthandschuhen angegriffen, wird. Ihre Vorgesetzten berücksichtigen ihre besondere Situation und treffen rechtzeitig Vorkehrungen, falls Stefanie ausfallen sollte. Doch Stefanie fällt nicht aus, sie arbeitet so viel wie noch nie. „Man darf Krebskranke nicht in ein Schema werfen, jeder geht anders mit der Krankheit um. Ich will ernst genommen und keinesfalls bemuttert werden.“

Ein neuer Lebensrhythmus

Für Stephanie ergibt sich im Laufe der sechs Zyklen ein eigener Lebensrhythmus: In der ersten Woche der Therapie muss sie sich an die schweren Nebenwirkungen gewöhnen, v.a. die Müdigkeit, aber auch Appetitlosigkeit und Knochenschmerzen. In dieser Woche zieht sie jedes Mal zu ihren Eltern: Hier kann sie sich einigeln und ohne schlechtes Gewissen versorgen lassen. In jeder zweiten Zykluswoche der Therapie geht es ihr körperlich schon besser – sie rafft sich schnell auf schafft es, neben der Arbeit und der Therapie sogar ihr Studium weiterzuverfolgen. „In der dritten Woche hieß es Party.“ In dieser Woche widmet sich die junge Frau bewusst ihrem sozialen Leben bzw. ihren Freundinnen: „Da ging es immer raus, raus, raus: Meine Freundinnen wussten: Sie kommen Covid-19 getestet, um mich nicht zu gefährden. Wir haben uns eine Pizza bestellt und ich konnte die Zeit mit ihnen so richtig bewusst genießen.“

„Wenn Ihr mit mir da durchwollt, dann kommt mit.“

Stefanie weiß nicht, wie sie das alles ohne das offene Ohr ihrer Freundinnen und die tatkräftige Unterstützung ihrer Eltern meistern hätte können. Am Anfang ihrer Erkrankung fühlt sie sich allerdings oft hilflos gegenüber ebendiesem fürsorglichen Umfeld: sie hatte oft das Gefühl, vielen Menschen mit ihrer Angst und Trauer selbst helfen zu müssen. Ganz wichtig war deswegen von Anfang an die psychoonkologische Begleitung im Krankenhaus: hier konnte sie alles aussprechen. Besonders geholfen hat es schließlich, regelmäßig an einer moderierten Selbsthilfegruppe der Krebshilfe Wien für junge Patientinnen teilzunehmen. Diese wird von einer erfahrenden und ebenso jungen Psychoonkologin moderiert – und fand in Pandemiezeiten online statt. In dieser Selbsthilfegruppe fand Stefanie endlich ebenso junge Menschen wie sie, die dasselbe durchmachen und sich untereinander oft auch ohne viel Worte verstehen. Unter anderem lernte sie dort, wie sie mit anderen außerhalb der Gruppe am besten umgeht, so dass es für sie selbst keine zusätzliche Belastung wird. So kann sie schließlich ihrer Familie und ihren Freunden vermitteln: „Ich bin es, die vor allem stark sein muss. Keiner muss mit mir da durch. Wenn Ihr aber mit mir da durchwollt, dann kommt mit.“

Dankbar und entschlossen wie nie zuvor

Und wie hat sich Stefanie durch die Krankheit geändert? „Ja sicherlich, die Unbeschwertheit oder sogar Unbesiegbarkeit, die andere oft noch in diesem Alter haben, sind weg. Ich bin aber als Mensch so viel dankbarer als je zuvor. Und auch viel entschlossener als früher. Es gilt für mich nicht zu viel Zeit zu verlieren, wie man das meist doch im Leben macht. Früher habe ich Ziele oder Träume immer etwas aufgeschoben – auch bei den kleineren Dingen. Jetzt nehme ich alles viel schneller in Angriff...“. Was zum Beispiel? „Mmmh, ich möchte schon immer liebend gerne einen Hund. Jetzt trauen wir uns das bestimmt! Und der Urlaub mit meiner Freundin nach Thailand, der ist für übernächstes Jahr fixiert.“

Gespräch mit E. Estermann, im Herbst 2021

 

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