Endlich wieder richtig durchatmen
Mein Krebs und ich
Rudolf Ulmer, Leberkrebs
Rudolf Ulmer ist 53 Jahre und er ist beruflich seit vielen Jahren als Streetworker in Wien tätig. Im Jahr 2019 ändert sich Rudolfs Leben von Grund auf - er erhält die Diagnose Leberkrebs. Vier Jahre später wird er lebertransplantiert: eine Organspende, die ihm sein Leben rettet. Seitdem kann Rudolf wieder von dem träumen, was ihm am meisten am Herzen liegt: bald wieder mit seiner Familie und seinen Freunden nach Griechenland zu reisen und wieder auf einem Segelschiff den Wind, die salzige Meeresluft und das Gefühl der ganz großen Freiheit zu spüren.
Die Leber, eine tickende Zeitbombe
Rudolf Ulmer erkrankt Februar 2019 an Leberkrebs, ein bösartiger Tumor, der von Leberzellen ausgeht. Eine Diagnose, die Rudolfs Leben von einem Tag auf den anderen verändert. Nachdem zwei große operative Eingriffe den Tumor nicht nachhaltig zerstören können, steht bald fest, dass eine Lebertransplantation und überbrückend eine Immuntherapie notwendig werden. Die Ärzte und Rudolf wissen, der Tumor droht zu wachsen und Tochtergeschwülste können andere Organe befallen. Nach einer Listung bei Eurotransplant heißt es für Rudolf dennoch einmal Warten: Warten auf ein passendes Spenderorgan. In dieser medizinisch wie psychisch extrem kritischen Zeit erhält Rudolf bei der Krebshilfe Wien die für ihn so wichtige psychoonkologische Unterstützung.
Ein Anruf, der das Leben retten kann
Rudolf weiß, dass es jeden Tag passieren kann – und man ihm mitteilt, dass ein Spenderorgan für ihn gefunden sei. Er wartet auf den einen Anruf, der sein Leben retten kann. Das Telefon ist nie mehr auf lautlos gestellt. Ab Anruf muss es nämlich schnell gehen. Alles ist von ihm aufs Genaueste vorgeplant, ein Notizzettel an der Wand Rudolfs Wohnung, falls dann der lang ersehnte Anruf eingeht: 1. Therme abschalten, 2. PC ausschalten, 3. Telefon mitnehmen, usw. Der Koffer für den Krankenhausaufenthalt ist seit Wochen gepackt, so empfehlen es die Ärzte. Eines Jännerabends um 23.00 Uhr Handyläuten, Rudolf kennt die Nummer. Alles läuft wie im Traum ab. Rudolf ruft 144, ab ins Krankenhaus. Die OP ist für 9.00 Uhr am nächsten Tag angesetzt, Organe werden oft aus dem Ausland eingeflogen. Erst um 11.00 Uhr kommen die Ärzte ins Krankenzimmer: „Herr Ulmer, das Organ ist leider doch nicht passend. Sie können wieder nachhause.“ Rudolf ist enttäuscht, er weiß aber, dass es bis zum nächsten Anruf oft nicht lange dauert: er ist der erste auf der Warteliste. Und tatsächlich, am nächsten Tag um 11 Uhr, als Rudolf gedankenversunken mit seinem 20-jährigen Sohn am Küchentisch sitzt, wieder ein Anruf mit der mittlerweile bekannten Rufnummer. „Ich habe noch das Geschirr abgewaschen, habe mich von meinem Sohn verabschiedet und dann die Notizzettel innerhalb von 20 Minuten abgearbeitet.“ Um 13 Uhr ist Rudolf im Krankenhaus. 24 Stunden später wird ihm die neue Leber transplantiert. „Ich gehe davon aus, es ist eine griechische. Weil ich liebe dieses Land von ganzem Herzen.“, erinnert sich Rudolf heute und lächelt zufrieden.
Ein Leben wie auf der Hochschaubahn
Seit der ersten Krebsdiagnose 2019 lebt Rudolf Ulmer ein Leben wie auf der Hochschaubahn, nach zwei großen operativen Eingriffen an der Leber und mehreren belastenden Krebstherapien ist nichts mehr „normal“ in Rudolfs Leben. Die Ärzte sagen offen, dass Rudolf „nicht mehr als ein halbes Jahr hat“. Sie stellen aber die Transplantation in Aussicht. Ein Leben in ständiger Anspannung, Panik, Angst und Sorge – vor allem auch um seine Lebenspartnerin, seinen Sohn und seine Eltern. In diesen 4 Jahren des ständigen Auf und Ab‘s kann Rudolf selten durchatmen: In der Nacht sind die Todesängste besonders schwer zu ertragen, aber auch untertags fühlt sich Rudolf trotz liebevoller Umgebung zerrissen und alleine.
Nun ist er transplantiert, mit der Leber eines Unbekannten – zum ersten Mal heißt es Aufatmen in einem neuen, krebsfreien Leben. Heute sitzen wir gemeinsam in seinem Lieblingscafé in Wien Alsergrund und ich darf ihn zu seiner Geschichte interviewen. Vielen Dank, Rudolf! Hier geht’s zum Interview.